Gedenktafel für deportierte Sinti und Roma aus Mosbach und Umgebung enthüllt

Am vergangenen Samstag wurde am Marktplatz eine neue Gedenktafel enthüllt. Sie erinnert an die Schicksale der während der NS-Zeit deportierten Sinti und Roma aus Mosbach und Umgebung.

Romani Rose, OB Julian Stipp und Landrat Dr. Achim Brötel enthüllen die Gedenktafel am Marktplatz (Foto: Stadt Mosbach)

„118 Zentimeter breit. 70 Zentimeter hoch. 1 Zentimeter stark. Bronzeguss. 70 Kilogramm schwer. Heute weihen wir sie gemeinsam ein – zum Gedenken an 53 Menschen. Kinder, Jugendliche und Ältere. Menschen, die hier gelebt haben.“ Mit diesen Worten begrüßte Stefan Müller, Leiter des Stadtmuseums in Mosbach, die Gäste im voll besetzten Rathaussaal. Diese waren zur Enthüllung einer neuen Gedenktafel gekommen, die am Markplatz an die Schicksale der in der NS-Zeit deportierten Sinti und Roma aus Mosbach und Umgebung erinnert. 

„Heute, auf den Tag genau vor 81 Jahren, geschah auch in Mosbach etwas, wofür wir heute kaum Worte haben“, erklärte Oberbürgermeister Julian Stipp den anwesenden Gästen. Am 23. März 1943 wurden von den Nationalsozialisten 53 Männer, Frauen und Kinder vom Mosbacher Bahnhof in einem Zug in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Ein Großteil dieser Menschen wurde, zum Teil bereits kurz nach deren Ankunft drei Tage später, ermordet. Nur, weil sie Sinti waren. „Heute erinnern wir an diese Menschen – und wollen damit unserer Verantwortung ‚wider das Vergessen‘ gerecht werden. Und wir wollen eine Lücke schließen in der Mosbacher Erinnerungskultur“, betonte OB Stipp.

Die Gedenktafel am Mosbacher Marktplatz wurde in enger Zusammenarbeit zwischen dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma und der Stadtverwaltung Mosbach gestaltet. Sie erinnert an die Familien Bern, Hoffmann, Lind, Reinhardt, Wagner, Winter, Winterstein und Zulier, die bis März 1943 in Mosbach und umliegenden Gemeinden lebten. „Frauen, Männer und Kinder, denen die nationalsozialistische Ideologie ausschließlich und allein wegen ihrer Herkunft mit einem einzigen Federstrich ihr Lebensrecht absprach“, erklärte Landrat Dr. Achim Brötel, der zu den weiteren Rednern des Abends zählte. 

Zur Gedenkveranstaltung waren neben Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, auch dessen Stellvertreterin Dotschy Reinhardt und die Vorsitzende der Landesvertretung der deutschen Sinti und Roma Baden-Württemberg, Natalie Reinhardt, nach Mosbach gekommen. 

Romani Rose und OB Stipp legen einen Kranz am Gedenkort nieder (Foto: Stadt Mosbach)

Der Holocaust an den Sinti und Roma sei lange Zeit verdrängt und verleugnet worden, betonten OB Stipp und Landrat Dr. Brötel und ergänzten, dass die Ausgrenzung und Diskriminierung aufgrund von Ressentiments und Vorurteilen auch heute nach wie vor traurige Realität sind. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Deutschland und Europa hätten wir allen Grund, uns um unsere Zukunft Sorgen zu machen und besonders wachsam zu sein, erklärte Brötel. „Danke, dass Sie im Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zu einem großen Brückenbauer zwischen uns Menschen geworden sind“, betonte der Landrat unter anderem und würdigte damit das Lebenswerk Roses, der seit mehr als 40 Jahren die Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma prägt. 

Romani Rose erinnerte in seiner Rede an das Ausmaß des Holocaust an 500.000 Sinti und Roma im nationalsozialistisch besetzten Europa und den langen Weg bis zur Anerkennung der NS-Verbrechen an den Sinti und Roma als Völkermord im Jahr 1982. Auch wenn auf politischer Ebene seither viel erreicht worden ist, sei der seit Jahrhunderten tradierte Antiziganismus weiter tief in unserer Gesellschaft verwurzelt und habe seine Wirkmächtigkeit nicht verloren, erklärte der Zentralratsvorsitzende. Die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus habe nichts mit einer Schuldübertragung an die heutige Generation zu tun, sondern bedeute vielmehr, Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft zu übernehmen. „Verantwortung für die Verteidigung unserer gemeinsamen Werte gegen Nationalisten und Rechtsextremisten, die unsere Demokratie und den Rechtsstaat auszuhebeln versuchen“, betonte Rose.

Auch die Oberbürgermeister, Bürgermeister und Ortsvorsteher der betroffenen Gemeinden und Stadtteile Obrigheim, Elztal, Heinsheim, Mosbach, Sattelbach und Lohrbach hatten am Samstag eine besondere Rolle inne. Sie verlasen nach der Enthüllung der Gedenktafel durch OB Stipp, Landrat Dr. Brötel und Romani Rose die Namen aller 53 Opfer, die in die Bronzetafel eingraviert sind. Musikalisch wurde die Gedenkveranstaltung durch den bekannten Violinisten Sandro Roy begleitet. 

„Für die Opfer der Sinti und Roma wird ab heute an der Mauer zum Kirchplatz ein ebenso wahrnehmbarer, zudem dauerhafter Ort des Gedenkens bestehen. Der Mosbacher Marktplatz ist ein Ort des prallen Lebens“, erklärte OB Stipp am Ende seiner Rede. „Eine Mahnung mitten im Leben, mitten in unserer Stadtgesellschaft. Ich denke, das ist ein guter Ort.“ Der neue Gedenkort im Herzen der Stadt sei nicht nur mit Bedacht, sondern auch klug ausgewählt worden, bekräftigte auch Landrat Dr. Brötel. „Dort, wo das Leben pulsiert und die Menschen sich treffen – genau dort gibt es jetzt einen Stolperstein für die Augen und hoffentlich auch einen für die Seele.“

Die Oberbürgermeister, Bürgermeister und Ortsvorsteher der betroffenen Gemeinden und Stadtteile lesen nach der Enthüllung der Gedenktafel die Namen aller 53 Opfer vor (Foto: Stadt Mosbach)